Ein Gastbeitrag von Hannah.
Es war nie einfach und ich geriet schon als 16-Jährige in die sogenannte Szene.
Es begann mit einem Discobesuch mit meiner Freundin. Disco…Das war das Streitwort bei uns zu Hause. Auf die Schule hatte ich nie Lust und da ich Zuhause, wegen unzähliger Schwänzereien und Verspätungen meinerseits eh viel Ärger hatte, blieb ich schon damals öfter die Nacht über weg. Mal übernachtete ich bei einer Freundin und manchmal schlug ich mir auf der Reeperbahn in verschieden Clubs die Nächte um die Ohren.
Aus der heutigen Sicht war das kein ideales Leben für eine 16-Jährige.
Es war einer dieser Nachmittage, an denen meine ohnehin schon überforderte Mutter mir bereits beim Reinkommen schon Vorwürfe machte. Sie schrie mich an und sagte die typischen Worte die Mütter in ihrer Verzweiflung eben sagen: „In deinem Alter hatte ich bereits Pläne mit meinem Leben und ich hätte mich nicht bestimmt die ganze Nacht herumgetrieben!“
Mein Vater war damals schon sehr krank, da er in seinem Leben zu viel Alkohol getrunken hatte und so stritt ich den ganzen Tag mit meiner Mutter.
Sie war diejenige, die das Geld nach Hause brachte aber mit der ganzen Lebenssituation eben auch überfordert war.
Perspektiven, so wie andere gleichaltrige Mädchen in meinem Leben, hatte ich eigentlich nicht. Ich wollte nur weg!
Die schönste Zeit hatte ich, wenn ich unterwegs war und weder was von meiner keifenden Mutter hörte, noch etwas von der Schule mitbekam. Ich zog bereits schon am Anfang einer Woche schon von Club zu Club. Ich trank mit 16 schon ordentlich Alkohol und fühlte mich frei.
Ich hatte kaum Geld und liess mich oft von Freunden einladen. Rolf, er war 28, lernte ich eines Abends in einer Kneipe kennen. Er sprach mich an und lud mich zu einem Drink ein. Klar, das schmeichelte mir. Er fragte mich, wie alt ich sei und ich log so stark, dass sich die Balken bogen.
Ich glaube, das wusste er auch. Er sah toll aus und als wir ins Gespräch kamen, tat er so als würde er mich verstehen. Als 16-Jährige fand ich es natürlich genial, dass ein erwachsener Mann sich so für mich interessierte. Rolf war bekannt wie ein bunter Hund und überall, wo man ihn sah, wurde er gegrüßt. Ich erinnere mich noch, dass wir dort bis 5 Uhr morgens sassen und ich schon ordentlich einen im Tee hatte. Er fragte, ob er mich nach Hause fahren könne und ich sagte, dass ich „Stress“ mit meinem Freund hätte und nicht nach Hause wolle. So nahm er mich mit zu sich.
Er hatte eine tolle Wohnung und einen riesigen Wagen. Ich war beeindruckt über das riesige Bett.. Hey, ich war 16!!
Ich pennte bei ihm und am nächsten Morgen setzte er mich irgendwo ab…an einer Adresse , die ich mir ausgedacht hatte. In dieser Nacht hat Rolf mich nicht angefasst, ich wurde mit Komplimenten überschüttet und ich hatte das Gefühl, einen Freund gefunden zu haben. Ich muss gestehen: Ich war verknallt.
Zuhause bei meiner Mutter, dann das Übliche: Streit, Vorwürfe und einen Schlag ins Gesicht bekam ich. Ich hatte mich seit drei Tagen nicht blicken lassen. Der Streit eskalierte und ich warf ihr Dinge an den Kopf, die ich heute als 30-Jährige Mutter selber bereue. Ich bin danach so gut wie nie wieder zu Hause gewesen und wohnte mehr oder weniger bei Rolf, der mit fortan ein Gefühl von Sicherheit und Schutz vermittelte. Ja ..ich hatte mich damals in einen 28-Jährigen Mann verliebt.
Unser Zusammenleben veränderte sich, als eines Abends ein anderes Mädchen bei ihm in der Wohnung auftauchte. Sie war stark blondiert und sehr stark geschminkt. Sie trug irgendeinen Glitzerfummel. Rolf umarmte und küsste sie und ich musste mich stark wundern, was da ablief. Die ganze Zeit über redete er kein Wort mit mir, ich war Luft und es ging alles nur um diese Sandra.
Ich setzte mich ins Schlafzimmer und wartete bis er dann endlich nach kam. Er sagte:“ Das ist ne Freundin und ich musste was geschäftliches regeln“.
Ich hatte keinen Schimmer, was er damit meinte. Zu der Zeit schlief Rolf oft mit mir und ich schottete mich ziemlich von der Aussenwelt ab..Ich glaube, er ahnte, dass ich noch nicht 18 war und dass ich Probleme hatte. Eines Tages kam er abends nachhause. Gott ..Ich war so verliebt in den Kerl und hatte irgendein Fertigessen gemacht. Ich fühle mich so richtig erwachsen.
Er sah anders aus, als sonst.. Er wirkte bedrückt und er bat mich, mit ihm zu reden.
Ich war seine Freundin (lächerlich) und setzte mich zu ihm und er begann mit zu erzählen, dass er finanzielle Probleme hätte und er dringend meine Hilfe bräuchte. Ich war innerlich total angetan, dass er „mich“ um Hilfe bittet..Ich hätte ALLES für ihn getan….. Nach Hause wollte ich eh nicht mehr und zur Schule wollte ich auch nie wieder gehen… und Hey, er war ja auch immer für mich da.
Er bat mich darum, einmal besonders “nett“ zu einigen seiner freunde zu sein, ich müsse „nur so tun.“ Er hätte ein Geschäft am Laufen und die würden nicht bezahlen.
Ich stutzte etwas, und fragte, was ich tun müsse. Er erklärte mir eindringlich, wie wichtig das Ganze für „uns“ wäre und er sagte: „Na, so wie Du zu mir bist, wenn wir uns lieben, so musst du nur einmal zu meinen Freunden sein!“ Nur einmal und er wäre aus „Allem raus.“
Ich betone nochmal, ich war damals erst 16, total verliebt in „meinen“ Mann und ich wollte ihm helfen. Ich hielt mich damals für stark genug und so tat ich es.
Der Abend im Club war furchtbar, er stellte mir die beiden Herren vor und flüsterte mir zu: „Ich liebe Dich und ich bin hier, wenn Du mich brauchst“. Rolf hatte im Club ein Zimmer für die Herren klar gemacht. Dort sollte ich also Sex mit zwei Männern haben. Ich liess die Schweinereien einfach über mich ergehen und einer steckte mir danach 50 Euro zu. Ich wusch mir das mit Make-up verschmierte Gesicht, zog mich an und ging zu Rolf zurück.
Ja..richtig ich hatte für ihn angeschafft. Das erste Mal. Später bekam ich heraus, dass er im Vorwege Geld bekommen hatte, und mich als „Frischfleisch“ angepriesen hatte. Die „Hilfeleistung“ meinerseits musste immer und immer wieder erbracht werden, verschiedene Männer, Clubs und Orgien. Mit 17 wurde ich dann schwanger. Ich hatte keine Ahnung, von wem das Kind war, trotzdem erzählte ich Rolf davon. Das war der Zeitpunkt, an dem ich merkte, dass er nichts für mich empfand, denn er schrie mich an, warum ich nicht aufgepasst hatte und, dass ihm nun Kohle flöten gehen würde. Zu dieser Zeit waren meine Gefühle eh auf NULL heruntergefahren, ich war mehr mit andren Männern zusammen, als mit meinem sogenannten eigenen Mann.
Der Bauch wurde dicker und dicker und alle Versuche von Rolf es „wegmachen“ zu lassen, scheiterten. Während der Schwangerschaft, zwang er mich weiter zu „arbeiten“. Es war wohl eine Art Rarität: Sex mit einer schwangeren Frau. Ich musste zwar oft keinen richtigen Verkehr machen, allerdings musste ich andere Techniken wie Oralverkehr oder sogenannte „Handjobs“ über mich ergehen lassen. Bei der Geburt meines Sohnes fuhr Rolf mich nur in die Klinik. Ich brachte den Kleinen ganz alleine zur Welt. Ich war inzwischen fast 18 und kam mit dem Kleinen nach Hause bzw in Rolfs Wohnung. Alles, wovon er redete war, wie ich schnellstmöglich weiter arbeiten könne und gleichzeitig den kleinen versorgen kann.
Die erste Zeit liess er mich in Ruhe, ich durfte natürlich auch schon lange nicht mehr bei ihm schlafen, sondern ich schlief mit Lion in einem Gästezimmer.
Ich hatte mich verändert und war nun selbst eine Mutter, bestimmt nicht die Beste, da mir die Erfahrung auch fehlte, aber dennoch entschied ich mich, Rolf zu verlassen und eigenständig zu arbeiten.
Nachdem ich alle Behörden abgeklappert hatte und vom Staat genügend Unterstützung bekommen hatte, was meinen Sohn betraf, arbeitete ich weiter. Ich war inzwischen 25. Unzählige kalte Nächte auf dem Strassenstrich, in fremden Autos, in schmutzigen Zimmern. Ich verdiente gut, war aber tagsüber natürlich richtig erledigt. Tagsüber passte eine Freundin auf Lion auf, wenn es nicht anders ging, auch irgendjemand anders. Ich war viel zu fertig, als hätte ich mir darüber noch Sorgen machen können. Ich wollte Geld verdienen, schnelles Geld…Geld für mich und Lion.
Ich muss keiner Mutter erzählen, was für Kosten so ein Kind mit sich bringt.
Als alles nichts mehr half, musste ich mein Kind durchs Jugendamt vermitteln lassen und er fand liebe Pflegeeltern. Es gibt keinen Tag, an dem ich mein Kind nicht vermisse…Keinen, aber ich war nicht fähig, dem Kleinen gerecht zu werden.
Heute arbeite ich immer noch als Hure und vor einigen Nächten traf ich zufällig das Mädchen, welches ich damals in Rolfs Wohnung gesehen hatte. Sie sah mittlerweile völlig verlebt aus und erzählte mir von Rolf, der inzwischen wegen Drogenhandel und Prostitution im Gefängnis sass.
Hoffentlich werde ich Lion einmal ALLES ERKLÄREN KÖNNEN…Insofern ich ihn denn sehen darf und er Interesse daran haben sollte.
Eine gute Mutter wollte ich sein, war ich aber wohl nie.
Der Beitrag Ich hätte alles für ihn gemacht – Ich bin eine Hure erschien zuerst auf Müttermagazin.