Ein Gastbeitrag von Hannah aus Zürich
Meine Tochter liebt kleine Spielzeuge, wir haben unzählige Filly Pferdchen, kleine Püppchen und kleine Meerjungfrauen mit Glitzerflossen. Sie nimmt ihre kleinen Schätze überall mit hin, ganz egal, wohin wir gehen. Du kannst dir sicherlich vorstellen, wieviel Aufmerksamkeit sie damit von anderen kleinen Kindern auf sich lenkt. Meistens teilt meine Tochter ihr Spielzeug gern mit anderen Kindern, aber es gibt Tage, da will sie einfach nicht teilen und das muss sie dann auch nicht.
Ich erhasche dann öfter der einen oder anderen bösen Blick von den Müttern der Kinder, wenn sie mich sagen hören, dass Lulu nicht teilen muss, wenn sie nicht will. Ich weiß, dass meine Ansicht den meisten Mamas gegen den Strich geht, aber ändern werde ich meine Meinung deswegen nicht.
Meine Kinder müssen also nicht teilen, wenn sie nicht wollen. „Mein Spielzeug ist auch dein Spielzeug?“ Nein, ist es nicht. Es ist eigentlich seltsam, denn ich hätte nie gedacht, dass ich das mal so machen würde. Von mir wurde als Kind immer erwartet, dass ich alles teile, was ich in den Händen hielt. Meine Eltern wollten mir das Konzept des Teilens eben so beibringen und ich wollte es genauso handhaben wie sie, wenn ich mal Kinder habe.
Ich hatte also ursprünglich mal geplant, meine Kinder auf die gleiche Weise zu erziehen und ich erwartete auch, dass meine Kinder freiwillig zu jeder Mahlzeit eine Portion Gemüse essen, sie immer brav ins Bett gehen würden und das sie all die anderen Dinge tun, die Kinder nun mal tun sollen. Kinder tun schließlich das, was man ihnen sagt, richtig?
Hahahahhaha. Als meine Kinder dann irgendwann auf der Welt waren, stellte sich heraus, dass sich die Erziehung ein wenig anders gestaltete, als ich es erwartet hatte und so kam es zu gewissen Planänderungen meinerseits. Ich änderte also auch meine Einstellung zum Teilen grundlegend.
Als Erwachsene haben wir ständig die Wahl, ob wir etwas teilen wollen oder nicht. Es ist doch so: Nur weil du mein neues Auto magst, heißt das nicht, dass ich es dich fahren lassen muss. Du magst mein Handy lieber als deines? Na klar, nimm es dir einfach und gib mir dein altes. Warum erwarten wir von unseren Kindern, dass sie ihr Spielzeug teilen müssen? Versuchen wir nicht auch ihnen angemessene Grenzen und Respekt beizubringen? Wenn ein Kind zu einem anderen Kind „Nein“ sagt, dann sollte das respektiert werden, oder? Ein Kind hat keinen automatischen Anspruch auf ein fremdes Spielzeug, nur weil es bunt und interessant aussieht.
Grenzen sind dann gesund, wenn man Kindern die Möglichkeit gibt, eine persönliche Wahl treffen zu können. Einem Kind die Wahlmöglichkeit selbst zu überlassen, hilft ihm dabei, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Wir Eltern können unsere Kinder sanft leiten. Wir sind Lehrer und keine Diktatoren. Die Möglichkeit, dass wir unsere Kinder ihre eigenen Entscheidungen treffen lassen, eröffnet uns häufig die Möglichkeit auf ein Gespräch.
Auf die Frage „Warum wolltest du deinen Bagger nicht mit Paul teilen?“ kann dein Kind dir seine Gedanken und Gefühle mitteilen. Vielleicht möchte es nicht teilen, weil Paul zu grob mit dem Spielzeug umgeht, vielleicht gab es auch einen anderen Streit mit Paul im Vorweg, wer weiß? Was auch immer passiert ist, die Gefühle eines Kindes müssen Ernst genommen und respektiert werden.
Ich möchte nochmal kurz erwähnen, dass es Situationen gibt, in denen mal teilen MUSS. In einer Gruppenarbeit in der Schule z.B. Ich meine das Teilen, welches auf persönliche Gegenstände, auf Lebensmittel und Spielzeug bezogen ist.
Und auch wenn es für manche seltsam erscheinen mag, so ist meine Ansicht über das Teilen als Wahl nicht neu. Ich habe bereits viele Eltern getroffen, die das genauso wie ich sehen. Wenn wir uns also mit anderen Eltern auf dem Spielplatz treffen und eine andere Mama von meinem Kind verlangt, irgendetwas mit ihrem Kind teilen zu müssen, dann erkläre ich ihr meine Sicht der Dinge. Mein Kind muss nicht mit ihrem Kind teilen.
Natürlich gibt es das auch genau andersrum. Manchmal regen sich meine Kinder auf, wenn ein anderes Kind das coole, neue Spielzeug nicht mit ihnen teilen will, aber das gibt mir die Möglichkeit der Reflexion. Meine Kinder lernen, dass sie kein Recht auf etwas haben, nur weil sie es in dem Moment haben wollen. So funktioniert die Welt nicht, und wenn jemand „Nein“ sagt, dann respektieren wir das. Wir müssen das nicht toll finden, aber wir müssen es respektieren.
Das Interessanteste an dieser Erfahrung ist, dass obwohl ich meine Kinder nicht zum Teilen zwinge, sie dennoch meistens total gerne ihr Spielzeug teilen. Sie finden es super, ihre Freunde glücklich machen zu können, indem sie ihr Spielzeug teilen. Teilen ist eine Form der Freundlichkeit und das fördere ich auch, aber nur, wenn meine Kinder sich dabei eben auch wohl fühlen. Wenn sie es nicht sind, dann bin ich ebenso damit einverstanden.
Meine Kinder wissen, dass sie stets eine Wahl haben und es droht ihnen auch keine Konsequenz, wenn sie entscheiden, dass sie ihre besonderen Gegenstände nur für sich behalten wollen. Ich unterstütze sie bei all ihren Entscheidungen, auch wenn sie ihre Kekse nicht mit mir teilen wollen.
Der Beitrag Warum meine Kinder nicht teilen müssen. erschien zuerst auf Müttermagazin.